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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 28.09.2000
Aktenzeichen: 19 E 691/00
Rechtsgebiete: SchOG NRW, LV NRW, GG
Vorschriften:
SchOG NRW § 2 Abs. 2 | |
LV NRW Art. 8 Abs. 1 Satz 2 | |
LV NRW Art. 8 Abs. 1 Satz 3 | |
LV NRW Art. 3 Abs. 3 | |
GG Art. 6 Abs. 2 Satz 1 | |
GG Art. 7 Abs. 1 | |
GG Art. 12 Abs. 1 |
Tatbestand:
Der Schulleiter lehnte die Aufnahme der Schülerin in die Klasse 8 des von ihm geleiteten Gymnasiums mit der Begründung ab, sie sei nach ihrer Leistungsfähigkeit und Gesamtentwicklung für das Gymnasium nicht geeignet. Das VG lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Gründe:
Das durch Art. 8 Abs. 1 Satz 2 LV NRW und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen, schließt zwar ebenso wie das durch die Verfassung (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 LV NRW, Art. 2 Abs. 1 GG) vermittelte Recht des Schülers auf Erziehung und Bildung den Anspruch auf Zugang zum öffentlichen Bildungswesen unter zumutbaren Bedingungen und dabei insbesondere das Recht ein, zwischen den bestehenden Schulformen zu wählen. Daraus kann aber kein ausschließliches Recht von Eltern und Schülern auf eine bestimmte, an ihren individuellen Wünschen - etwa gar losgelöst von der jeweiligen Eignung und Befähigung - ausgerichtete Ausgestaltung des Schulwesens abgeleitet werden. Denn der (ebenfalls) verfassungsrechtlich abgesicherte, dem Elternrecht prinzipiell gleichgeordnete staatliche Erziehungsauftrag, von dem Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 LV NRW ausgehen, räumt dem Staat die Befugnis zur Planung und Organisation des Schulwesens mit dem Ziel ein, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen Schülern gemäß ihren Anlagen und Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten eröffnet. Zu dem der elterlichen Bestimmung grundsätzlich entzogenen staatlichen Gestaltungsbereich gehören u. a. die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge, der Unterrichtsziele und des Unterrichtsstoffes sowie die Bestimmung der Voraussetzungen für den Zugang zur Schule, des Übergangs von einem Bildungsweg zum anderen und die Versetzung innerhalb eines Bildungsweges und die Entscheidung darüber, ob und inwieweit die Lernziele vom Schüler erreicht worden sind. Danach kann insbesondere die Aufnahme eines Schülers in die verschiedenen Bildungswege (hier: Wechsel von einer Gesamtschule zum Gymnasium) an - eignungs- und leistungsbezogene - Zulassungsvoraussetzungen geknüpft werden, deren Festsetzung im einzelnen Sache der Länder ist. In diesem Sinne sind das Elternrecht und Rechte des Schülers, insbesondere die Schulformwahlfreiheit eingeschränkt.
Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 6.12.1972 - 1 BvR 230/70 und 95/71 -, BVerfGE 34, 165, 182 ff., sowie Beschlüsse vom 22.6.1977 - 1 BvR 799/76 -, BVerfGE 45, 400, 415 f., und vom 26.2.1980 - 1 BvR 684/78 -, BVerfGE 53, 185, 196; BVerwG, Beschluss vom 17.7.1980 - 7 B 192.79 -, NJW 1981, 1056; ferner OVG NRW, Beschlüsse vom 6.8.1998 - 19 B 1445/98 -, m. Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Senats, sowie vom 19.10.1999 - 19 B 1730/99 -.
Dem entsprechend ist in § 2 Abs. 2 SchOG NRW bestimmt, dass der Bildungsgang sowohl vom Willen der Erziehungsberechtigten als auch von den Anlagen, Neigungen und Fähigkeiten des Kindes abhängt.
Auch das Recht auf freie Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte gemäß Art. 12 Abs. 1 GG ist unbeschadet der Frage der Kapazitätserschöpfung nicht losgelöst von (gesetzlich bestimmten) subjektiven Zulassungsvoraussetzungen, die an Eignung und Befähigung anknüpfen, gewährleistet.
Vgl. BVerfG, Urteile vom 18.7.1972 - 1 BvL 32/70 u.a.-, BVerfGE 33, 303 ff., und vom 8.2.1977 - 1 BvF 1/76 u.a.-, BVerfGE 43, 291, 313 f.
Daher verletzt ein leistungsbedingter Ausschluss eines Schülers aus einer Schule - hier aus einem Gymnasium - nicht aus sich heraus das Recht gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Denn ein solcher Ausschluss ist bei Vorliegen der normierten Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Schulbetrieb unerlässlich, weil die Schulen zur Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben und zum Schutz der Rechte der anderen Schüler über Mittel verfügen müssen, sich von Schülern, die zur Mitarbeit ungeeignet sind, zu trennen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.10.1981 - 1 BvR 640/80 -, BVerfGE 58, 257, 282; BVerwG, Beschluss vom 6.3.1998 - 6 B 9.98 -, DVBl. 1998, 969.
Ende der Entscheidung
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